Geliebt wirst Du einzig, wo Du schwach Dich zeigen darfst, ohne Stärke zu provozieren.
Theodor W. Adorno
Das Zitat hat mich gestern angesprochen und wollte, dass ich es als Einleitung nehme.
Die Liebe …
Sie ist das Heilmittel für wirklich alles. Wie kommt es dann, dass im Namen der Liebe so viel gelitten und so viel Leid verursacht wird?
Meist haben wir uns – unbewusst und um uns zu schützen – zu irgendeinem Zeitpunkt im Leben von der Liebe abgespalten. Wir haben so keinen Zugriff auf sie. So als würde Dein Anti-Virus-Programm eine Datei als gefährlich einstufen und erst einmal in Quarantäne schieben, damit sie da kein Unheil anrichten kann. Und wer schaut schon regelmäßig in den Quarantäne-Ordner, um auszusortieren, was wirklich schädlich ist?
Ich glaube, mein eigenes Leben bietet gutes Anschauungsmaterial, um zu verdeutlichen, was ich meine:
Ich wusste bis vor zwei Jahren gar nicht, dass es bei mir genauso war, dass auch ich mich von der Liebe abgespalten hatte. Es machte nach außen hin nicht wirklich den Anschein. Auch wenn ich zu dem Zeitpunkt nach 13 Jahre Ehe gerade kurz vor meiner zweiten Scheidung stand.
Bei mir kam der Durchbruch zur Liebe über meine allererste systemische Aufstellung. Ich habe bereits öfter davon berichtet, deswegen gehe ich an dieser Stelle nur kurz darauf ein. Meine erste Aufstellung endete damit, dass ich auf die Liebe zugehen sollte. Ich sträubte mich mit Händen und Füßen dagegen und es dauerte gefühlte drei Stunden, bis ich endlich bei ihr ankam. Ich war ein emotionales Wrack und weiß nicht, wie viele Taschentücher ich verbrauchte.
Dadurch hatte sich etwas in mir verändert, eine Tür wurde aufgestoßen. Das war kein kleiner Spalt, denn danach geschah so vieles in einem Tempo, das nicht möglich gewesen wäre, wenn die Tür nur angelehnt gewesen wäre.
Es waren nicht nur Aufstellungen, die mir halfen, mein Verhältnis zur Liebe wiederherzustellen, aber sie waren ein ganz, ganz wichtiger Aspekt dabei.
Ich kann mich noch an eine andere Aufstellung sehr gut erinnern, in der ich mich nach der eigentlichen Aufstellung auf eine Decke legen sollte, die mitten auf dem Boden lag. Dann nahmen alle anderen Teilnehmen die Decke auf. Ich wurde von Liebe getragen und wurde von allen in Liebe gebadet.
Gut, dass mir kein Spiegel in der Nähe war, denn auch das war wieder ein Moment des, was Oprah Winfrey liebevoll „ugly cry“ (hässliches Weinen) nennt. 🙂
Als mein „Liebeslevel“ auf einem gesunden Stand war, kam durch Aufstellungsarbeit auch zutage, dass ich als Kind von meinem Großvater sexuell missbraucht wurde. Das erklärte, warum ich mich an meine Kindheit nicht erinnern konnte. Der Augenblick ist mir aber ins Gedächtnis eingebrannt, als meine Mutter mir sagte, dass mein Großvater gestorben sei.
Es brauchte ungefähr 18 Monate, bis ich in der Lage war, ihm restlos zu verzeihen. Es war ein Prozess, der in mehreren Stufen ablief. Immer wieder dachte ich, jetzt hätte ich ihm aber wirklich verziehen. Immer wieder zeigte sich ein anderer Aspekt, den ich auch noch verzeihen durfte.
Erst, als ich den Mann sah, der er war, bevor die Geschehnisse des Krieges ihn veränderten: den liebe- und humorvollen Mann, der die Natur liebte, und keiner Fliege was zuleide tun konnte, erst dann konnte ich ihm restlos verzeihen. Denn erst dann konnte ich ihn lieben und konnte tiefes, von Herzen kommendes Mitgefühl mit ihm und seinem großen Herzen haben, das der Krieg zerschmetterte.
Wie äußerte es sich in meinem Leben, dass ich die Liebe von mir abspaltete?
Ich habe sie nicht an mich herangelassen. Ich war zwar verheiratet, aber öffnete mich nur hin und wieder, um mein Gegenüber in mein Herz schauen zu lassen. Sobald ich Schmerz auch nur roch, habe ich die Tür nicht nur zugeschmissen, sondern auch mit Ketten, Tretminen und Irrgärten gesichert. In ihnen habe ich mich dann selbst lange Jahre auch verloren.
Es äußerte sich unter anderem auch darin, dass das Verhältnis mit und zu meinen Töchtern oft mit Dramen gespickt war. Sie wollten und brauchten mehr Liebe von mir, als ich zu geben imstande war. Nur wusste ich das zu dem Zeitpunkt nicht.
Es äußerte sich darin, dass ich mich selber nicht liebte. Ich arbeitete täglich bis zu 18 Stunden und mehr. Ich rauchte wie ein Schlot, und die einzige Bewegung, die ich mir gönnte war der Gang die Treppe rauf- und runter zum Büro. Und das über Jahre hinweg.
Seitdem hat sich mein Leben um fast 180° gedreht.
Ich liebe mich selbst und stehe für mich und meine Seele ein. Als Nebeneffekt und ohne jegliche Anstrengung habe ich innerhalb eines knappen Jahres über 10 Kilo abgenommen. Es lag keinerlei Fokus darauf.
Ich kann meinen Töchtern nun vorleben, was es bedeutet, Verantwortung für sich selber zu übernehmen und sich zu lieben. Und ich darf lernen, das Thema „Schuld“ auf gesunde Weise aufzulösen.
Nach über 30 Jahren ist mein Vater, von dem ich dachte, dass er gestorben sei, wieder ein wichtiger Teil meines Lebens.
Ich habe meinen Seelenpartner gefunden, bzw. wurde zu ihm geführt.
Es entstanden ganz tiefe Freundschaften zu wunderbaren Menschen und ich bin jetzt mit Menschen umgeben, mit denen ich mich schwach zeigen darf, ohne Stärke zu provozieren.
Ich gehe meinen Seelenweg. Ich tue das, wozu ich hier auf Erden kam und mein Herz geht in jeder Sekunde weiter auf.
Aber die größte Liebe, die ich spüre, die mich aus jedem Loch herausholt, die mich immer wieder zum Lachen bringt, die mich immer wieder an Grenzen bringt, nur um mir zu zeigen, dass diese Grenze nur in meinem Kopf existierte, ist meine Liebe zu Gott/Schöpfer/Universum und Seinen Helfern. Die Verbindung steht wie eine Eins und es liegt an mir, alles zu tun, was in meiner Macht steht, damit der Empfang ungestört ist.
Und nun zu Dir:
Wie steht es mit der Liebe in Deinem Leben? In welcher Beziehung kannst Du Dich nicht schwach zeigen?
Mögest auch Du tiefe, bedingungslose Liebe erfahren, das wünsche ich Dir.